Bemerkenswerte Worte
Karl Rahner (1904 – 1984, röm.-kath. Theologe):
„Dogmen sind wie Laternen in der Nacht. Sie sollen einem den richtigen Weg weisen. Nur Betrunkene klammern sich daran.“
Karl Barth (1886 – 1968, evang.-ref. Theologe):
„In meiner Jugend war die Hermeneutik ein Teil der Theologie. Heute ist die Theologie ein Teil der Hermeneutik. Früher wackelte der Dackel mit dem Schwanz – heute wackelt der Schwanz mit dem Dackel.“
Juan Maldonado (Jean Maldonat, 1533-1583), span. Jesuit, (in: Ioannis Maldonati, Commentarii in quattuor evangelistas, 1596, Sp. 526)
„Man darf ohne zwingende Gründe den Sinn der Schrift nicht einengen.“
(„Non est sine necessiariis argumentis Scripturae sententia restringenda.“)
Jörg Lauster (Prof. für Systematische Theologie, München; in: zeitzeichen 5/2021, 18):
„Für Menschen, die für die Kirche arbeiten, ist jede Gremienminute eine verlorene Minute. Es raubt ihnen Zeit, ihre eigentliche Arbeit an und mit den Menschen zu tun. Zudem wüsste man doch einmal gerne, was eigentlich die große Vision von Kirche ist, auf die es in all diesen Reformrunden hinauslaufen soll.“
Das „Franziskus-Gebet“: Eine populäre Merkwürdigkeit
Wo auch immer es veröffentlicht ist, steht dabei: „Franz von Assisi zugeschrieben“, oder es gilt gleich als „Gebet des Franz von Assisi“. Das ist irreführend. Denn mit Franz von Assisi hat dieses Gebet überhaupt nichts zu tun. Es war erstmals vielfältig abgedruckt (in französischer Sprache) Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Rückseite eines Andachtsbildes, auf dem Franz von Assisi dargestellt war.
Nach dem 2. Weltkrieg hat es sich im evangelischen wie im katholischen Umfeld stark verbreitet: Das Thema ‚Frieden‘ sprach die Sehnsucht der bedrohten Menschheit aus, und die auf das Tun der hingebenden Liebe gerichtete Bitte zog alle an, die der frommen Worte überdrüssig geworden waren.
Heute ist dieses Gebet populär. Diese Popularität ist merkwürdig – sowohl was den Inhalt als auch was die Form als Gebet betrifft.
Gemeindewachstum in Zeiten der Schrumpfung?
Ja!!
Jesus denkt groß!
Anmerkungen zum Predigttext vom 04.02.2024. Hier als pdf-Datei.
Der Nächste bitte!
Der Dreiklang der Liebe
oder:
Was ist (Nächsten-)Liebe?
„Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe, das sind Worte und Taten“ – so beginnt ein Lied von Eckart Bücken. Und das ist gar nicht mal so schlecht.
„Liebe ist ein starkes Gefühl“ – so beginnt eine Antwort der „Künstlichen Intelligenz“ ChatGPT auf meine Frage, was Liebe ist. Ähnliches schreibt Wikipedia. Und das ist schlecht. Weil es viel zu kurz gedacht ist.
Seit der Zeit der Romantik gilt die Liebe als ein Gefühl. Doch Liebe ist mehr. Und wer dieses „mehr“ versteht, bekommt auch einen Zugang zu dem zentralen Gebot „Du sollst deinen Nächsten lieben …“. Denn ein Gefühl kann man ja nicht anordnen und gebieten, wie es in der Bibel steht.
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ – Was also ist „Nächstenliebe“? Und gilt dieses Gebot auch für jemanden, der sich selbst nicht lieben kann? Und: Heißt es eigentlich „wie dich selbst“ oder ist das falsch übersetzt? Gilt dieses Gebot nur für die eigenen Glaubensgenossen? Und wer ist überhaupt „der Nächste“? Verlangt Jesus eigentlich nicht zu viel von uns mit diesem Gebot?
Einige Impulse zum „Dreiklang der Liebe“ – oder: „Was ist (Nächsten-)Liebe“ hier als pdf-Datei.
Foto by Lothar Henke_pixelio.de
Attraktive Gemeinde
Eine theologische Perspektive
Von Wilfried Härle
Hier ist der anregende Aufsatz als pdf-Datei.
I. Vorüberlegungen zum Begriff „attraktive Gemeinde“
- Attraktiv, also anziehend – für wie lange? Einmalig, kurzfristig, langfristig oder dauerhaft? Nur Letzteres ist eine ernsthafte, für kirchliche Initiativen, Planungen und Strukturveränderungen angemessene Perspektive.
- Attraktiv – für wen? Für ein bestimmtes Publikum oder für möglichst viele Menschen unterschiedlicher Schichten, Klassen, Milieus[1] oder für „alle Völker“ (Mt 28,19) bzw. für „alles Volk“ (Barmen VI)?. Nur Letzteres entspricht dem Auftrag der Kirche.
- Attraktiv – wodurch um welchen Preis? Um jeden Preis? Unter Einbeziehung fremder Elemente? Durch die Wahrnehmung des kirchlichen Auftrags als „unerhörte“ Botschaft?
Dazu die folgenden Thesen:
II. Thesen
- Attraktiv sind Gemeinden, wenn in ihnen etwas zu finden ist, was man sonst (z. B. in den Medien, in der alltäglichen Kommunikation, im Arbeits-, Geschäfts- und Berufsleben) nicht findet, weil man in ihnen etwas erleben kann, was es sonst nicht gibt. Das Alleinstellungsmerkmal der Kirche im Unterschied zur Konkurrenz um Marktanteile ist die Verkündigung des Evangeliums.
- Attraktiv sind Gemeinden, wenn in ihnen etwas vom Heiligen erlebbar wird, das ausstrahlt in ihre alltägliche Lebenswelt, d. h. wenn sie ernsthaft damit rechnen, dass es in ihnen zur Begegnung und Gemeinschaft mit dem Gott kommt, der in Jesus Christus Mensch geworden ist. Mut zu einer geistlichen Identität im Gegensatz zu Profanisierung und Anbiederung.
- Attraktiv sind Gemeinden, wenn in ihnen sorgfältig und liebevoll vorbereitete Gottesdienste gefeiert werden, die von der Begegnung mit dem Wort Gottes herkommen und zu ihr hinführen d.h., in denen man Sakrament und Wort empfängt, betet und singt, und den Segen Gottes zugesprochen bekommt.
- Attraktiv sind Gemeinden, die Gelegenheit bieten, sich zu engagieren und sich mit eigenen Begabungen und Kräften einzubringen, und wenn sie dafür Wertschätzung erfahren.
- Attraktiv sind Gemeinden, bei denen alle willkommen sind: Erwachsene und Kinder, Junge und Alte, Menschen mit und ohne Behinderung, Einheimische und Ausländer, Angepasste und Außenseiter, Fromme und Gottlose, Suchende und Gefundene.
- Attraktiv sind Gemeinden, die in einer Atmosphäre des Vertrauens Gelegenheit zum offenen Austausch über Sorgen und Probleme, aber auch über Gelungenes und Erfreuliches bieten.
- Attraktiv sind Gemeinden, die vom Kirchenraum und von der Liturgie her ästhetisch ansprechend sind: sauber, gepflegt, schön, punktuell sogar künstlerisch anspruchsvoll.
- Attraktiv sind Gemeinden, die intern oder mit anderen (z.B. mit wachsenden) Gemeinden nicht konkurrieren und rivalisieren, sondern lustvoll-neidlos kooperieren.
- Attraktiv sind Gemeinden, in denen die Besucher und Mitglieder selbst über die ihnen gut tuende Distanz und Nähe frei und unbedrängt entscheiden können.
- Attraktiv sind Gemeinden, die man (auch wieder) verlassen kann, ohne Missstimmung, Verärgerung, Belästigung oder Vorwürfe zu ernten oder zu hinterlassen.
1.-10.) Attraktiv sind Gemeinden, in die man selbst gerne geht (oder gehen würde, wenn es sie gäbe), über die man deshalb auch gerne mit anderen Menschen spricht, sie dorthin einlädt oder mitnimmt.
III. Ein theologisches Fazit
„Menschen bleiben in der Kirche auf Dauer nicht, weil sie dort Gemeindefeste oder Aktionsgruppen finden, sondern weil sie Antworten auf das Unverfügbare in ihrem Leben erhoffen, die nicht von Pfarrern oder anderen Obrigkeiten erfunden worden sind, sondern aus größerer Autorität kommen und von den Pfarrern treuhänderisch verwaltet werden. Die Menschen leiden auch heute, vielleicht mehr sogar als früher; eine Antwort, die nur aus dem Kopf des Pfarrers oder von irgendeiner ‚Initiativgruppe‘ kommt, genügt ihnen nicht. Religion tritt noch immer besonders da in das Leben der Menschen ein, wo das ihnen und allen anderen Unverfügbare in ihr Leben eingreift, und da hilft dann nur eine Antwort, die aus dem Unverfügbaren selber kommt. Wo Pfarrer oder Bischöfe nicht mehr als Anwälte des ihnen selbst Unverfügbaren auftreten, sondern lediglich ihre eigenen Aktionen anzubieten haben, da werden sie zur ‚Amtskirche‘ und damit überflüssig.“[2]
Wenn der ehemalige Kardinal und Papst damit recht hat (und ich glaube, er hat recht), dann gehört die Attraktivität einer Gemeinde zu dem, worüber sie nicht verfügt.
Mehr noch, dann gehört ihre Attraktivität gerade dann, wenn sie bei ihrer Sache, also bei ihrem Auftrag bleiben will, zu dem, worüber sie nicht einmal verfügen wollen kann. Das kommt entweder darin zum Ausdruck, dass sie gar nicht attraktiv sein, also auch gar nicht wachsen (sondern „fröhlich schrumpfen“) will oder dadurch, dass sie ihre Attraktivität permanent zum Gegenstand ihres Gebets macht.
Wenn das so ist, dann gehört die Attraktivität einer Gemeinde zu dem, was ihr nur als Geschenk zuteil werden kann (wie der pfingstlichen und nachpfingstlichen Gemeinde, zu der Menschen [täglich] Menschen „hinzugefügt“ wurden [Apg 2,41 und 47]).
Meine erste öffentliche Stellungnahme zu „Kirche der Freiheit“ in den Zeitzeichen trug die Überschrift: „Als ob alles Beten nichts nützt“.[3] Diese Überschrift war seitens der Redaktion folgendem Textstück aus diesem Artikel entnommen worden: „Dass wir arbeiten sollen, als ob alles Beten nichts nützte, davon ist in dem Text viel zu spüren. Dass wir beten sollen, als ob alles Arbeiten nichts nützte, das findet sich dagegen allenfalls in Spurenelementen“. Ich wurde daraufhin gefragt, von wem denn das diesen Sätzen offenbar zugrunde liegende Bonmot stamme. Meine Antwort hieß: „Soviel ich weiß, von Luther – von wem denn sonst?“ Auf die weitere Frage, wo Luther denn gesagt habe: „Wir sollen arbeiten, als ob alles Beten nichts nützte, und wir sollen beten, als ob alles Arbeiten nichts nützte“, war und blieb ich ratlos; denn ich konnte es in keiner Lutherquelle nachweisen. Auf die Sprünge geholfen hat mir schließlich im vorigen Jahr ein englischer Methodistenpastor, der mich darauf hinwies, dass dieses Zitat im Katechismus der Katholischen Kirche[4] vorkommt und vermutlich von Ignatius von Loyola stammt. So kann Ökumene auch funktionieren.
Wenn das alles so ist, dann darf man die Attraktivität einer Gemeinde zu der Seligkeit zählen, von der Paulus sagt, dass Gott dazu „das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen“ wirkt, und dass dies darum von uns „mit Furcht und Zittern“ zu schaffen ist (Phil 2,12f.). Im Griechischen ist das noch fantastischer ausgedrückt. Da heißt es wörtlich: „Gott ist es, der (das Wollen und) das Vollbringen vollbringt“. Also dann mit Energie ans Werk! Orate et laborate!
Prof. Dr. Wilfried Härle, Heidelberg/Ostfildern
Anmerkungen:
[1] Der Verwendung des Milieubegriffs, wie sie insbesondere in der Sinusstudie (2005/2006), aber auch in der Auswertung der EKD-Umfrage von 2006 erfolgt, stehe ich allerdings distanziert gegenüber, da hierbei sinnvolle diagnostische Fragestellungen (z.B. nach gebräuchlichen Kommunikationsformen) mit der Ausrichtung an programmatischen Vorgaben (z.B. an vorherrschenden normativen Orientierungen) vermischt werden. Damit werden die Untersuchungsergebnisse partiell durch die – teilweise diffamierend wirkenden – Analyseraster präjudiziert.
[2] J. Ratzinger, Zum Fortgang der Ökumene in: Tübinger Theologische Quartalsschrift 166/1986, S. 244.
[3] Zeitzeichen 2006, Heft 10, S. 22-25.
[4] Katechismus der Katholischen Kirche, München u.a. 1993, S. 709, Ziff. 2834. Der dort in Anführungszeichen, aber ohne Verfasserangabe zitierte Text lautet: „Betet, als ob alles von Gott abhinge, und arbeitet, als ob alles von euch abhinge“. Den Hinweis auf diesen Fundort verdanke ich dem englischen Methodistenpastor Rev. Dave Martin.
Billige Gnade – Teure Gnade
„Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. Unser Kampf heute geht um die teure Gnade.“ schreibt Dietrich Bonhoeffer 1937. Er trifft damit ein Thema, das auch heute wieder höchst aktuell ist.
„Billige Gnade heißt Gnade als Schleuderware, verschleuderte Vergebung, verschleuderter Trost, verschleudertes Sakrament; Gnade als unerschöpfliche Vorratskammer der Kirche, aus der mit leichtfertigen Händen bedenkenlos und grenzenlos ausgeschüttet wird; Gnade ohne Preis, ohne Kosten. …
Billige Gnade heißt Gnade als Lehre, als Prinzip, als System; heißt Sündenvergebung als allgemeine Wahrheit, heißt Liebe Gottes als christliche Gottesidee. Wer sie bejaht, der hat schon Vergebung seiner Sünden. … Billige Gnade ist darum Leugnung des lebendigen Wortes Gottes, Leugnung der Menschwerdung des Wortes Gottes.
Billige Gnade heißt Rechtfertigung der Sünde und nicht des Sünders. … Billige Gnade ist Predigt der Vergebung ohne Buße, ist Taufe ohne Gemeindezucht, ist Abendmahl ohne Bekenntnis der Sünden, ist Absolution ohne persönliche Beichte. Billige Gnade ist Gnade ohne Nachfolge, Gnade ohne Kreuz, Gnade ohne den lebendigen, menschgewordenen Jesus Christus.“
Demgegenüber steht die „teure Gnade“. Sie „ist der verborgene Schatz im Acker, um dessentwillen der Mensch hingeht und mit Freuden alles verkauft, was er hatte (Mt 13,44); die köstliche Perle, für deren Preis der Kaufmann alle seine Güter hingibt (Mt 13,45f.): die Königsherrschaft Christi, um derentwillen sich der Mensch das Auge ausreißt, das ihn ärgert (Mk 9,47), der Ruf Jesu Christi, auf den hin der Jünger seine Netze verlässt und nachfolgt (Mk 1,16-20).
Teure Gnade ist das Evangelium, das immer wieder gesucht, die Gabe, um die gebeten, die Tür, an die angeklopft werden muss (Mt 7,7).
Teuer ist sie, weil sie in die Nachfolge ruft, Gnade ist sie, weil sie in die Nachfolge Jesu Christi ruft; teuer ist sie, weil sie dem Menschen das Leben kostet, Gnade ist sie, weil sie ihm so das Leben erst schenkt; teuer ist sie, weil sie die Sünde verdammt, Gnade, weil sie den Sünder rechtfertigt. Teuer ist die Gnade vor allem darum, weil sie Gott teuer gewesen ist, weil sie Gott das Leben seines Sohnes gekostet hat – „ihr seid teuer erkauft“ (1Kor 6,20) –, und weil uns nicht billig sein kann, was Gott teuer ist. Gnade ist sie vor allem darum, weil Gott sein Sohn nicht zu teuer war für unser Leben, sondern ihn für uns hingab. Teure Gnade ist Menschwerdung Gottes.“ …
Mit der Ausbreitung des Christentums und der zunehmenden Verweltlichung der Kirche ging die Erkenntnis der teuren Gnade allmählich verloren. Die Welt war christianisiert, die Gnade war Allgemeingut einer christlichen Welt geworden. Sie war billig zu haben. …
Wie die Raben haben wir uns um den Leichnam der billigen Gnade gesammelt, von ihr empfingen wir das Gift, an dem die Nachfolge Jesu unter uns starb. …
Ist der Preis, den wir heute mit dem Zusammenbruch der organisierten Kirchen zu zahlen haben, etwas anderes als eine notwendige Folge der zu billig erworbenen Gnade? Man gab die Verkündigung und die Sakramente billig, man taufte, man konfirmierte, man absolvierte ein ganzes Volk, ungefragt und bedingungslos, man gab das Heiligtum aus menschlicher Liebe den Spöttern und Ungläubigen, man spendete Gnadenströme ohne Ende, aber der Ruf in die strenge Nachfolge Christi wurde seltener gehört. …
Unbarmherzig ist die billige Gnade gewiss auch den meisten von uns ganz persönlich gewesen. Sie hat uns den Weg zu Christus nicht geöffnet, sondern verschlossen. Sie hat uns nicht in die Nachfolge gerufen, sondern in Ungehorsam hart gemacht. …
Es konnte ja auch nicht anders kommen, als dass der betrogene schwache Mensch sich im Besitz der billigen Gnade auf einmal stark fühlte und in Wirklichkeit die Kraft zum Gehorsam, zur Nachfolge verloren hatte. Das Wort von der billigen Gnade hat mehr Christen zugrunde gerichtet als irgendein Gebot der Werke. …
Es muss um der Wahrhaftigkeit willen für die unter uns gesprochen werden, die bekennen, dass sie mit der billigen Gnade die Nachfolge Christi verloren haben und mit der Nachfolge Christi wiederum das Verständnis der teuren Gnade. Einfach, weil wir es nicht leugnen wollen, dass wir nicht mehr in der rechten Nachfolge Christi stehen, dass wir wohl Glieder einer rechtgläubigen Kirche der reinen Lehre von der Gnade, aber nicht mehr ebenso Glieder einer nachfolgenden Kirche sind, muss der Versuch gemacht werden, Gnade und Nachfolge wieder in ihrem rechten Verhältnis zueinander zu verstehen. Hier dürfen wir heute nicht mehr ausweichen. Immer deutlicher erweist sich die Not unserer Kirche als die eine Frage, wie wir heute als Christen leben können.“
Ein ausführlicherer Auszug aus diesem wichtigen Aufsatz von Dietrich Bonhoeffer hier als pdf-Datei.
„Bildung“? – „Bildung!!“
„Bildung ist die Fähigkeit, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und jenes ernst zu nehmen.“
(Paul de Lagarde, 1827-1891)
„Bildung ist das, was übrigbleibt, wenn wir vergessen, was wir gelernt haben.“
(George Savile Halifax, 1633-1695)
„Bildung kommt von bilden, das heißt, sich und andere formen, gestalten: Bild werden. Das Ungebildete ist also das Bild-Lose, Wert-Lose, Sinn-Lose.“
(Otto Michel, 1892-1973)
„Der Begriff ist abgeleitet vom ‚Bild‘, einer Sache Gestalt und Wesen zu geben. Das Wort Bildung ist heruntergekommen zur Bezeichnung bloßen Formalwissens.“
(Bernward Hoffmann, *1955)
Was hat „Bildung“ in einer Kirchengemeinde oder in einer kirchlichen Einrichtung zu suchen? Muss man sie suchen? Einige Anmerkungen dazu, die mir wichtig sind, bei „Ich“ oder hier als pdf-Datei.
Martin Luther hat einen Kleinen Katechismus geschrieben und einen Großen Katechismus, weil er „manchen Jammer“ gesehen hat, „dass der einfache Mann doch von der christlichen Lehre so gar nichts weiß“. Die sehr lesenswerten Vorworte von Martin Luther zu diesen Katechismen hier.
Foto by www.helenesouza.com_pixelio.de
Ist ein Gottesdienst „echt“
oder nur eine „Inszenierung“?
Einige Anregungen aus einem Buch von Reinhard Thöle zum Thema „Gottesdienst“:
Nur das ist „ein echter Gottesdienst …, welcher das enthält, was überall, immer, von allen gebetet worden ist. Der Sinn der Glaubenden folgt unbewusst mit einer Art übernatürlichem Instinkt dem Grundsatz ‚lex orandi – lex credendi‘ [wörtlich: ‚das Gesetz des Betens (ist) das Gesetz des Glaubens‘] als Analyseprinzip: Was man nicht beten kann, kann man und muss man auch nicht glauben. Enthalten Gottesdienste Handlungen, Aussagen oder Haltungen, die offensichtlich oder versteckt nicht im Kraftbereich des Evangeliums zu finden sind, werden diese instinktiv als nicht echt erkannt und auch nicht geglaubt.
Die Krise des Gottesdienstes ist nicht eine Frage der Gestaltung und Kommunikation, sondern eine Frage der Echtheit. … Unechte Gottesdienste sind für die Gläubigen immer uninteressant und verzichtbar.“
Der Gottesdienst kann „zum ‚Regietheater‘“ werden. „Mit der Kategorie ‚Regietheater‘ meint man im Bereich der darstellenden Kunst eine Inszenierung, bei der es nicht mehr primär um das Bemühen geht, eine Aufführung werkgetreu wiederzugeben, sondern bei der die Umsetzung durch den Regisseur oder die Mitwirkenden in den Mittelpunkt rückt. Man soll nicht mehr neugierig auf das Stück selbst werden, sondern auf die Inszenierung. Natürlich sei es unbestritten, dass das, was man ‚rüberbringen‘ will, auch abhängig ist davon, wie man es ‚rüberbringt‘. Man sollte aber beim Gottesdienst davon ausgehen, dass man grundsätzliche Dinge nicht ‚rüberbringen‘ kann und es peinlich wird, wenn man sich dieses anmaßt. Und es kann dann passieren, dass trotz aller Bemühungen gar nichts ‚rübergebracht‘ wird.“
Reinhard Thöle, Geheiligt werde dein Name. Christliche Gottesdienste zwischen Anbetung und Anbiederung, Baden-Baden 2021, S. 32f.96f.122.
Hier einige Auszüge aus diesem Buch in einer pdf-Datei.
Fotos (1) by_angieconscious_pixelio.de, (2) by_Gabriele genannt Gabi Schoenemann_pixelio.de
„JHWH“
Sagen Sie bitte jetzt nichts!
Der Gottesname JHWH wird im Judentum seit mehr als 2000 Jahren nicht ausgesprochen. Niemand weiß, wie er richtig ausgesprochen wird. Daher kann er sinnvollerweise eigentlich auch von Christen nicht ausgesprochen werden. Außerdem: Das christlich-jüdische Gespräch pflegen zu wollen und gleichzeitig die Gesprächspartner mit der nicht erlaubten Aussprache des Gottesnamens zu verletzen, passt nicht zusammen. Daher sollte dieser Gottesname auch aus Solidarität, aus Rücksichtnahme und aus Höflichkeit gegenüber jüdischen Gesprächspartnern nicht ausgesprochen werden.
Gut können wir der Übersetzung Martin Luthers und der Einheitsübersetzung (und anderen Übersetzungen) folgen und „HERR“ lesen, wo das Tetragramm JHWH auftaucht. Schon in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments (der „Septuaginta“) steht statt des Tetragramms JHWH entweder theós („Gott“) oder – in den meisten Fällen – kýrios („Herr“).
Näheres dazu hier in der pdf-Datei „Der Gott Israels und sein Name“.
„Christ, der Retter, ist da!“
– allerdings kaum für die Lutheraner!
An Weihnachten singen wir es regelmäßig: „Christ, der Retter, ist da!“ Doch die Luther-Übersetzung meidet dieses Wort wie die Pest. Statt „Retter“ steht da das altertümliche, in unserem Alltag heute nicht mehr gebräuchliche Wort „Heiland“. Für das Verb „retten“ steht „selig werden“, „geholfen werden“ oder „gesund werden“. Für das Substantiv „Rettung“ steht vor allem „Heil“.
Wenn „Retter“, „retten“ oder „Rettung“ da stünde, würde sofort die Frage folgen: „Wovor soll oder wovor kann ich denn gerettet werden?“ Und hierauf müsste die Theologie aus den Aussagen der neutestamentlichen Schriften Antworten geben. Will die Luther-Übersetzung dieses Antworten-Geben-Müssen vermeiden?
Was meint dazu eigentlich das Neue Testament? Herzliche Einladung, mal über das „Retten“ nachzudenken!
Näheres dazu hier in einer pdf-Datei.
Foto by S. Hofschlaeger_pixelio.de
Tolerantes Lehren statt intolerantes Missionieren?
Warum die Luther-Übersetzung 2017
beim Missionsbefehl Jesu ein Rückschritt ist
Die neue Revision der Lutherübersetzung 2017 hat im letzten Abschnitt des Matthäus-Evangeliums, eine sehr problematische, ja falsche Korrektur vorgenommen.
In der letzten Revision Luther 1984 war zu lesen (Mt 28,19f.). Jesus sagt:
„Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“
In der neuen Revision Luther 2017 steht nun:
„Darum gehet hin und lehret alle Völker …“
Doch im Griechischen steht nicht „Lehren“ sondern „zu Jüngern machen“. Warum diese Änderung?
Vermutlich, weil „Lehren“ unverbindlicher und harmloser klingt als „zu Jüngern machen“. Doch mit diesem „Lehren“ wird verschleiert, dass Jesus keine unverbindlichen, harmlosen Vorträge vor gesetzten Bildungsbürgern gehalten hat. Er hat zur Nachfolge eingeladen. Und die besteht aus der Bindung an Jesus Christus (vgl. z.B. auch Mt 10,32f.37-40; 16,24f.). Sie nimmt Gestalt an in der Taufe auf den Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und der Orientierung an dem besteht, was Jesus gelehrt und gelebt hat.
Dieses „Lehret“ in der Luther-Revision 2017 verwischt und verwässert die pointierte Aufforderung Jesu in seinem Missionsbefehl. Es ist ein Mosaikstein, der für mich das Vertrauen in diese Revision schwächt. Andere solche Beobachtungen und „Mosaiksteine“ sind in Vorbereitung und werden demnächst hier folgen.
Näheres zu diesem Thema hier (als pdf-Datei).
Foto by Campus of excellence, Wunderstock – Lehren statt Nachfolge?
Die Taufe:
Wird bei der Kirche nur mit Wasser gekocht?
Einige Anmerkungen zur Taufe der Kirche
Nach der Taufagende der Evang.-Luth. Kirche werden Menschen „im Namen“ Gottes getauft. So steht es in der Taufagende:
„N. N., ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
Jesus sagt jedoch im „Taufbefehl“ (Mt 28,19): „Tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Wörtlich: „Tauft in den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes hinein“. Ein „Taufen auf den Namen“ ist etwas völlig anderes als ein „Taufen im Namen“.
„Taufen im Namen“ heißt: „Taufen im Auftrag von …“ bzw. „in der Vollmacht von …“. Doch das Taufen ist mehr als ein Verwaltungsakt.
„Taufen auf den Namen Jesu Christi“ ist dagegen eine Übereignung an Jesus. Dabei wird der Täufling sozusagen in den Namen Jesu hinein, also in die „Identität Jesu“ hinein getauft. Der Mensch wird in der Taufe – so Dietrich Bonhoeffer – „Eigentum Christi. Der Name Jesu Christi wird über dem Täufling genannt, der Mensch wird damit dieses Namens teilhaftig, er wird ‚in Jesum Christum‘ hineingetauft (εἰς; Röm 6,3; Gal 3,27, Mt 28,19). Nun gehört er zu Jesus Christus. Er ist der Herrschaft der Welt entrissen und ist Christi Eigentum geworden.“
Die EKD fügt noch hinzu: „Für reformiert geprägte Gemeinden im Bereich der UEK ist jedoch auch die dort schon immer herkömmliche Fassung ‚auf den Namen‘ möglich.“ Die Reformierten sind beneidenswert. Die haben es verstanden!
Ausführlicher sind diese Anmerkungen zur Taufe und zur Taufagende hier in einer pdf-Datei.
Foto by Günter Havlena_pixelio.de
Hinaus ins Weite??
Die EKD hat nachgebessert. Aus den „Elf Leitsätzen für eine aufgeschlossene Kirche“ sind „Zwölf Leitsätze zur Zukunft einer aufgeschlossenen Kirche“ geworden. Titel: „Hinaus ins Weite – Kirche auf gutem Grund“. Die Corona-Pandemie sowie die geringer werdenden Finanzmittel haben einen Handlungsdruck erzeugt. Doch es geht auch darum, der „schwindenden Akzeptanz der Kirche und ihrer Botschaft“ und „einer tieferliegenden Glaubenskrise“ zu begegnen.
Wie schön wäre es, wenn diese „Leitsätze“ mehr Substanz hätten! Hier einige subjektive Anmerkungen dazu (als pdf-Datei).
Was ich brauche, sind fünf Milliarden Dollar …
Aufgeschreckt hat mich David Beasley. Er ist der Exekutivdirektor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen . Er sagte:
„Es gibt 2.200 Milliardäre auf der Welt, mit einem Nettovermögen von etwa 10 Billionen (= zehntausend Milliarden, d. Red.) US-Dollar. … Was ich brauche, sind fünf Milliarden Dollar, um eine Hungersnot zu verhindern. Ist das zuviel verlangt? Ich meine: Come on! Milliardäre, zeigt der Welt, dass sie euch nicht egal ist! Jeff Bezos (Investor und Gründer des in Corona-Zeiten exponentiell gewinnstarken Online-Versandhändlers Amazon; mit geschätzt mehr als 200 Milliarden Dollar Gesamtvermögen die reichste Einzelperson der Welt; d. Red.), gib mir nur so viel, wie du an einem Tag verdienst! Allein zwischen April und Juli 2020 ist das Vermögen der Milliardäre um 27,5 Prozent gewachsen. … Worum es mir geht, ist eine einmalige Spende. Jetzt.“
Reiche zu kritisieren hat gute biblische Wurzeln. Die Propheten des Alten Testaments und Jesus mahnen die Reichen, sich um die Armen und Schwachen zu kümmern. Von daher habe ich volle Sympathie für das, was David Beasley fordert. Doch diese Kritik an den Reichen ist gleichzeitig auch eine Anfrage an uns.
Ich erinnere auch noch einmal an meinen Beitrag vom 10.06.2020: „Corona – der wertvolle Blick über den heimischen Tellerrand hinaus“ (Linke Spalte unter: „Archiv | Juni 2020“).
Pfarr-Amt ?
Das „Arbeitsamt“ wurde 2004 zur „Bundesagentur für Arbeit“. Diese Bezeichnung sollte die Dienstleistungsorientierung der Arbeitsverwaltung in den Vordergrund rücken und sei angemessen für eine „moderne, kundenorientierte Dienstleistungsbehörde“. Das „Postamt“ heißt heute „Postfiliale“ oder „Postagentur“. Man spricht von der „Stadtverwaltung“ und der „Gemeindeverwaltung“. Warum hat die Kirche hat nach wie vor die Bezeichnung „Pfarramt“ bewahrt? Viel „menschlicher“ würde es klingen, wenn wir anstatt vom „Pfarramt“ vom „Pfarrbüro“ sprechen würden. Ist es einfach unreflektierte Gewohnheit, immer noch das „Amt“ im Namen zu haben? Oder macht es Spaß, so zu klingen wie das „Landratsamt“, das eine wichtige Aufsichtsbehörde ist, – und wie das „Finanzamt“? Angemessen für eine kirchliche Einrichtung ist die Bezeichnung „Pfarramt“ nicht. Denn eines kommt ja noch erschwerend hinzu …
Hier meine Überlegungen im pdf-Format.
(Ich weiß: Das sind vorlaute Gedanken – und in der Realisierung völlig unrealistisch. Doch mal drüber nachdenken – warum nicht?)
„Geistliche Kompetenz
in der ‚Gemeinschaft der Heiligen'“
– Unter dieser Überschrift stehen meine Anmerkungen zu einem anregenden Aufsatz von Prof. Dorothea Wendebourg. Sie hat zentrale Beobachtungen zu Kirche und Gottesdienst formuliert. Bei den Folgerungen für das „ordinationsgebundene Amt“ allerdings kommen mir doch ein paar Fragen. Doch es lohnt, sich das immer wieder und immer neu zu bedenken, was Kirche ist und welche Bedeutung der Gottesdienst hat. Hier die Anmerkungen im pdf-Format.
Links: Kanzel, auf der Martin Luther gepredigt hat (in der Stadtkirche zu Wittenberg; Foto: W.Th.)
„Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche“??
Die EKD hat „Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche“ aufgestellt. „Kirche auf gutem Grund“ ist der Titel. Es geht ums Tun, Tun, Tun. Um Handlungsanweisungen – erstellt wie von kirchlichen Verwaltungsbeamten, die fast schon in Panik ein Rettungspapier für ein Schiff erstellen, das schlingert oder gar im Begriff ist unterzugehen. Eine wichtige Frage ist unbeantwortet: Was ist der „gute Grund“? Wo ist der „gute Grund“? Wer ist der „gute Grund“?
Wenn ich dieses Papier lese, kommt mir dieser „Grund“ vor – wie ein ausgetrocknetes Land. Geistlich wie theologisch. Denn für Theologie und Substanz ist ja kein Raum. Und keine Zeit. Denn jetzt muss etwas getan werden. Dabei würden neue Aufbrüche und neue Impulse doch eigentlich nur durch Rückbesinnung auf die Grund-lagen geschehen. Schade.
Ein positives Gegenstück dazu ist z.B. das Apostolische Schreiben „Evangelii Gaudium“ (Die Freude des Evangeliums) von Papst Franziskus „über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute“. Tja, von Freude ist in den „Elf Leitsätzen“ keine Rede. Von Freude am Evangelium schon gar nicht. Es sind traurige Leitsätze …
Hier einige Beobachtungen dazu (als pdf-Text): „Grund-lose Kirche“.
Corona
ist seit Monaten das Thema Nummer 1 in den Nachrichten und auch in persönlichen Begegnungen. Einige Gedanken dazu habe ich aufgeschrieben. Die finden sich hier in der pdf-Version (s.a. bei „Neueste Beiträge“ vom 15.06.2020).
Wen mehr zu Corona-Eindrücken interessiert, kann in der linken Spalte unten unter „Stichworte – Corona“ noch einiges entdecken.
„Loslassen“
Loslassen ist ein zentrales Thema des Lebens und des Glaubens. Es ist mir immer wichtiger geworden, je länger ich mich damit beschäftigt habe. Näheres dazu in meinem Skript:
„Loslassen – Biblische Aussichten weiten den Horizont“
(Eine kürzere Fassung ist im August 2020 in der Zeitschrift „Magazin für Psychotherapie und Seelsorge“ erschienen.)
(Foto by Monika Tugcu_pixelio.de)