Heute ist das letzte Buch des großen Neutestamentlers Klaus Berger erschienen: „Schweigen – Eine Theologie der Stille“. Es ist ein sehr persönliches Buch. Das Manuskript hat er kurz vor seinem Tod im Juni 2020 an den Verlag geschickt. Prof. Dr. Peter Busch, einer seiner ca. 60 Schüler, die bei ihm promoviert oder habilitiert haben, hat im Anhang des Buches ein Nachwort geschrieben, das Klaus Berger gut beschreibt.
„Schweigen“ ist ein Thema, das im Neuen Testament wichtig ist – und das bei den Theologen und Theologinnen in der Regel übergangen und „verschwiegen“ wird. Doch die Weisheit, die damit verbunden ist, führt in die Tiefe des Neuen Testaments und des Glaubens:
- Würde Theologie mehr aus dem Schweigen kommen, dann hätte sie mehr Geist, mehr Relevanz und mehr Weisheit.
- Würde Predigt mehr aus dem Schweigen kommen, dann hätte sie mehr Herz und mehr Tiefe.
- Würde Kommunikation mehr aus dem Schweigen kommen, dann hätte sie mehr Liebe.
- Würde Glaube mehr aus dem Schweigen kommen, dann wäre in ihm mehr Erfahrung mit Gott.
Einige (wenige) Einblicke in das Buch, das sich wirklich zu lesen lohnt:
Sprache des Schweigens, nicht der Worte –
Schweigen ist eine Art von Kommunikation. Nur bedarf es einiger Erfahrung, um diese Kommunikation richtig zu deuten. … Jede Art antiker (Lebens-)Weisheit … im Umfeld der Bibel stimmt darin überein, dass Schweigen wertvoller ist als Reden. Denn die Qualität des Redens ist offenbar abhängig vom Maß und von der Art des vorangehenden Schweigens. Die vorangehenden und alles entscheidenden Emotionen werden durch das Schweigen geprägt, bevor sie das Reden in seinem Verlauf begleiten. Daher rührt die Einsicht, die Sprache des Herzens sei das Schweigen, nicht das Reden. Denn hier ist das Feld dessen, was man Unbewusstes nennt. Hier ist die Quelle der Phantasie und das Reich der Zwischentöne jenseits der Eindeutigkeit des Wortschatzes. Hier wird verstanden und gesendet, was man das „zwischen den Zeilen“ Gesagte nennt.
(S. 186)
Der Satz „Schweigen ist Freiheit / bringt Freiheit“ ist so zu verstehen: Schweigen ist das Produkt einer Art innerer Askese. Diese betrifft vor allem die menschliche imaginatio, also die Gesamtheit der Bilder, die sich der Mensch verfertigt hat, und kommt dadurch einer Art mystischer Neuauflage des biblischen Bilderverbots gleich. Nicht die Kultbilder werden ausgerottet, sondern die allzu weltlichen (welthaften) Vorstellungen der Menschen und die damit verbundenen Wünsche und Sehnsüchte, die in Wahrheit nicht zu ihm passen. Schweigen heißt: Dass diese Dinge im Herzen des Menschen kein Thema mehr sind, ihn nicht belasten, da sie ihn nicht reizen und verführen. (Schweigen ist insofern eine Variante des „Fastens“.)
(S. 85)
Zu den großen Überraschungen gegen Ende der Arbeit an diesem Thema und Buch gehört für mich die Einsicht, dass „Schweigen“ im Christentum ein Weg und Modus der Offenbarung Gottes ist. Das gilt besonders dann, wenn Menschen von Gottes Schweigen erreicht werden, es darstellen und nachvollziehen, wenn sie in ihrem eigenen Schweigen Gott ähnlich werden, sich schweigend Gott zuwenden und dadurch seinen Willen zu spüren bekommen. Das gilt auch, wenn sie schweigend lieben.
(S. 12)