Klaus Berger ist nicht tot

Prof. Dr. Klaus Berger

– so heißt die Überschrift eines Nachrufs. „Klaus Berger: Gelebte Ganzhingabe“ – so lautet eine andere Überschrift. Beides ist richtig. Am Montag, 8. Juni 2020 ist er in Heidelberg gestorben. Was bleibt von ihm? Vieles! 70 Bücher, die er geschrieben hat. Viele wissenschaftliche und viele allgemeinverständliche Aufsätze. Kluge, gelehrte und humorvolle Vorträge und Vorlesungen, mit denen er die Herzen der Hörerinnen und Hörer erreicht hat, bleiben in guter Erinnerung. Und vor allem: Er hat bei mir Freude geweckt und hat mir Freude vermittelt an historischer, theologischer und konstruktiver Exegese, die den Bibeltext verstehbar macht und lebendig werden lässt. Sehr vieles bleibt von ihm. Bei mir. Und bei vielen anderen. Schön, dass es ihn gab – und gibt!

Eines seiner letzten Bücher endet so:

„Mit der Kathedrale vom Reims hat dieses Kapitel begonnen, und damit möchte ich auch schließen, und zwar mit dem versehrten Engel an der Westfassade. ‚Die steinerne Figur ist zerstückelt, zerstört, vernarbt und verwundet. Die rechte Hand hat er verloren, die Finger der anderen sind verstümmelt. Ein Flügel ist ihm im Laufe der Zeit abhanden gekommen, sein Gesicht ist voller Wunden und Narben. Ein sterbender Engel! Gezeichnet von den Verwüstungen, Zerstörungen und Erosionen der Jahrhunderte. Aber das Erstaunliche an diesem Engel: Er lächelt – allen Verwundungen und Verletzungen zum Trotz. Er lächelt den Beschauer an und er lächelt in die Zeit hinein. Was für ein Signal der Zuversicht, des Trostes und der Ermutigung! Die Menschen, die diesen Engel aufmerksam betrachten, fangen plötzlich selbst an zu lächeln. Und der eine lächelt dem anderen zu‘ (nach F. Hengsbach). Eben dieses ist Leitkultur für Europa und die Welt. Herr Gott, schenke uns eine Epidemie des Lächelns, des Friedens.

Das Lächeln des Engels erweicht mein hartes Herz. Aber immer wieder haben wir vergessen, dass das Lächeln ansteckend sein kann und sein soll. Damit am Ende eine ganze Lichterstadt sein kann, eine Kathedrale mit Säulen wie aus dem Leuchten von Edelsteinen, von meergrünen Beryll, von gelbglänzendem Topas und purpurnem Amethyst. Das ist meine Vision.“

(aus: Klaus Berger, Leih mir deine Flügel, Engel. Die Apokalypse im Leben der Kirche, Freiburg 2018, S. 369)

 

In einem kleinen Aufsatz „Den ich lieb wie keinen“ hat Klaus Berger Martin Luther zitiert:

„Wir sollen schlafen, bis er kommt und klopft an das Gräblein und spricht: Doktor Martinus, steh auf! Da werde ich in einem Augenblick auferstehen und werde ihm ewiglich glücklich sein.“

(aus: Johannes Röser [Hg.], Gott? Die religiöse Frage heute, Freiburg 2018, S. 31)

DER SPIEGEL hat in einem Nachruf einen Ausspruch von Klaus Berger zitiert, den ich oft von ihm gehört habe in Vorträgen, zu denen ich ihn nach Erlangen, Altötting oder in die Nähe von Nürnberg eingeladen habe, oder den er im Privaten gesagt hat – und der bemerkenswerter ist, als er im ersten Augenblick erscheint:

„Wahrheit ist: Es gibt einen Gott, und ich bin es nicht.“

(DER SPIEGEL Nr. 25/13.06.2020, S. 125)