Jüdische Feste: „Simchat Torá“, das Fest der Freude an der Torá – heuer am 8. Oktober 2023

Simchat Torá, das Fest der Freude an der Torá – heuer am 8. Oktober 2023
(Nachtrag am 08.10.: Tragischerweise wird der Freudentag durch Terror getrübt!)

„An Simchat Torá freuen wir uns über den Abschluss der jährlichen Toralesung“
Von Rabbiner Raphael Evers (aus: Jüdische Allgemeine, 05.10.2023):

Der achte Tag von Sukkot heißt Schemini Azeret, wörtlich: „der achte Tag“, das Abschlussfest. Dieser Feiertag wird – fälschlicherweise – oft als Teil von Sukkot angesehen. In der Tora heißt es im 4. Buch Mose 29 und im 5. Buch Mose 35: „Am achten Tag sollst du eine festliche Versammlung abhalten.“

Sukkot erinnert uns an den Schutz Gottes während der 40-jährigen Reise durch die Wüste. Aber Sukkot hat auch eine Bedeutung für Nichtjuden, denn es werden 70 Opfer zugunsten von 70 Völkern dargebracht. Das Abschlussfest von Sukkot wird Schemini Azeret genannt. Dennoch ist es ein eigenständiger Feiertag: Einen Tag lang will Gott ganz allein mit dem jüdischen Volk sein.

Aufmerksamkeit – Es ist ein kurzes „Eins-zu-Eins“ mit Haschem (Gott). Der Allmächtige möchte dem auserwählten Volk für einen Moment seine exklusive Aufmerksamkeit schenken und uns Kraft für die Winterzeit wünschen, in der es nur wenige Tage der Begegnung mit Ihm gibt.

In Israel wird Schemini Azeret nur am 22. Tischri gefeiert, der in diesem Jahr auf den 7. Oktober fällt. Außerhalb Israels jedoch wird es zwei Tage lang, am 22. und 23. Tischri, gefeiert (dieses Jahr am 7. und 8. Oktober). In der Diaspora fällt der zweite Tag von Schemini Azeret mit Simchat Tora, dem Torafreudenfest, zusammen. In Israel dagegen wird Simchat Tora zusammen mit dem Fest Schemini Azeret am selben Tag begangen.

Viele Menschen außerhalb Israels essen an Schemini Azeret immer noch in der Sukka. Am Morgen wird das sehr feierliche und ernste Gebet für Regen gesprochen, bei dem der Chasan während des Gottesdienstes einen Kittel (Totenkleid) trägt, und am Abend verabschieden wir uns von der Sukka.

Freudenfest – Wir sprechen das Trauergebet Jiskor, gedenken der Toten und versprechen Zedaka (Wohltätigkeit). Für den ersten Tag gibt es in der Tora ein eigenes Gebot: „Vesamachta bechagecha“ – Freu dich an deinem Fest! Es ist deshalb besser, das Freudenfest mit der Tora erst am zweiten Tag zu feiern.

An Simchat Tora feiern wir, dass wir die Tora in vollem Umfang gelernt haben, also den Lesezyklus eines gesamten Jahres abgeschlossen haben. Es ist ein Brauch, die Torarollen aus der heiligen Lade zu nehmen und sie in einer „Hakafot“-Prozession siebenmal um die Bima, das Tora-Vorlesepult, zu tragen. Dabei wird ausgelassen gesungen und getanzt. Alle Kinder erhalten viele Süßigkeiten, werden zusammen mit dem letzten Erwachsenen aufgerufen und erhalten einen besonderen Segen unter einem großen Tallit (Gebetsmantel). Wir haben jetzt eine andere Quelle der Freude: die Tora.

Außerhalb Israels gibt es, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit, die beiden Ereignisse zeitlich voneinander zu trennen. Doch warum feiern wir Simchat Tora in Israel am achten Tag und außerhalb Israels am neunten Tag?

Ernsthaftigkeit – Hierfür gibt es mehrere Gründe. In Israel dauert Schemini Azeret nur einen Tag. Deshalb haben wir keine andere Wahl: Wir müssen die Ernsthaftigkeit des achten Tages von Sukkot – das Jiskor und das Gebet um Regen – mit Simchat Tora verbinden.

Zudem wird in Israel alles beschleunigt. Anders als außerhalb Israels brauchen wir hier nur einen Tag für den Jom Tow, den Feiertag, um genügend Inspiration für das ganze Jahr zu bekommen. Die Heiligkeit Israels garantiert einen gleitenden Übergang von Ernsthaftigkeit zu Freude (Simcha).

Schließlich bedeutet Azeret „Abschlussfest“. Nach der körperlichen Befreiung aus Ägypten haben wir als Abschluss an Schawuot die Tora empfangen, aber aus einem Gefühl der Ehrfurcht vor Gott. Nach der beschützten Wüstenreise und Sukkot empfangen wir nun die Tora erneut, aber jetzt aus Liebe und Freude. Wir brauchen beide Emotionen für eine wirkliche jüdische Erfahrung. Deshalb passen sie alle in einen Tag. „Sich in Ehrfurcht zu freuen“, das fällt in Israel viel leichter.

Der Autor war Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und lebt heute in Israel.